Als vor gut zwanzig Jahren beschlossen wurde, dass Berlin Regierungssitz des wiedervereinigten Deutschland sein sollte, kam die Rede von der „Berliner Republik“ auf. Symbol dieses „neuen“ Deutschlands sind die beiden Gebäude, die exemplarisch für die Legislative (Reichstag) und die Exekutive (Bundeskanzleramt) stehen. Wenn man sich die entsprechenden Gebäude in der ersten demokratisch verfassten Republik der Neuzeit, den Vereinigten Staaten, ansieht, dann fällt beim Blick auf die Architektur sofort etwas auf: Das Kapitol in Washington ist ein wuchtiger Bau, der die ganze Hauptstadt beherrscht und dem im erheblich kleineren Weißen Haus sitzenden Präsidenten anschaulich vor Augen führt, wer der Souverän ist, nämlich das in seinen Abgeordneten repräsentierte amerikanische Volk. Das entsprechende Konzept in Berlin vermittelt einen ganz anderen Eindruck: Das Kanzleramt erweckt den Anschein, gleich groß zu sein wie der Reichstag, es liegt ihm fast unmittelbar gegenüber und bildet somit einen gleichberechtigten Gegenpol zum Parlament. Das entspricht einer guten alten Tradition in unserem Land: Die Gesellschaftsstruktur und Lebensweise der alten Germanen machte eine starke Position des Stammesführers unumgänglich, wenn nicht gar überlebenswichtig. Leider haben wir uns, anders etwa als die Engländer, immer noch nicht wirklich von dieser Gesellschaftskonstruktion getrennt …