„Wir müssen unsere Interessen gegen China, Indien, Brasilien und all die aufstrebenden Länder behaupten und durchsetzen!“ – eines der besonders beliebten Argumente für Ausbau und Vertiefung der Europäischen Union, für eine Bündelung von Kompetenzen und Macht bei EU-Institutionen. Eine aparte neue Form des Nationalismus. Den Umständen des 21. Jahrhunderts angepasst verzichtet man auf Säbelrasseln und rasselt stattdessen mit dem Geldbeutel.
Kategorie: Europa
„Bunte Republik“ Europa
Wie ein Schiedsrichter beim Fußball spielen: Passen die Vorschläge der Jenaer Allianz zum heterogenen europäischen Wirtschaftsraum?
Vor zwei Wochen hat die Jenaer Allianz, ein Zusammenschluss ordnungspolitisch geprägter Institutionen und Stiftungen, einen „Aufruf für eine ordnungspolitische Weichenstellung in Europa“ veröffentlicht. In diesem Aufruf wird angemahnt, die im Lissabonner Vertrag vereinbarte Orientierung der europäischen Politik an den „ordnungspolitischen Grundanliegen der Sozialen Marktwirtschaft“ zu beherzigen. In einer Analyse der aktuellen Situation wird die Krise als Folge einer Missachtung dieser Prinzipien dargestellt:
„Die aktuelle Staatsschuldenkrise der Eurozone lässt sich auch als Folge einer Verletzung zentraler ‚konstituierender Prinzipien‘ der Ordnungspolitik nach Walter Eucken beschreiben. Konkret geht es vor allem um die Prinzipien der Geldwertstabilität, der Haftung und Verlässlichkeit. An Verlässlichkeit oder Konstanz der Wirtschaftspolitik im Sinne einer glaubwürdigen, gegenseitigen Selbstbindung vor allem der Haushaltspolitik der Euro-Mitgliedstaaten hat es von Anfang an gefehlt. Die Richtwerte des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wurden beinahe permanent von einigen EU-Staaten, auch von Deutschland, überschritten, ohne dass dies je wirksam sanktioniert wurde. Zentrale Elemente der Europäischen Verträge wurden faktisch außer Kraft gesetzt – vor allem das Verbot der Fremdhaftung und der Monetisierung von Schulden.“
Der glückliche Diogenes
Dieser Beitrag zum Hayek-Essay-Wettbewerb 2012 zum Thema „Freiheit und Verantwortung – Überlegungen zur Bedeutung des Haftungsprinzips“ wurde zusammen mit dem Beitrag von Marcus Lerch mit dem ersten Preis des Essay-Wettbewerbs ausgezeichnet.
Ödipus, der berühmte König von Theben, wurde Opfer eines grausamen Schicksals, das ihn dazu verdammte, den eigenen Vater zu töten und die Mutter zu heiraten. Obwohl alle Beteiligten durch das Orakel von Delphi auf das bevorstehende Unglück hingewiesen worden waren und alles dafür getan hatten, dem Schicksal zu entkommen, gab es kein Entrinnen. Als ihm enthüllt wurde, dass er sein Schicksal erfüllt hatte, geriet Ödipus in besinnungslose Raserei und begann mit einer Orgie der Selbstbestrafung: er stach sich die Augen aus und begab sich in die Verlassenheit und Einsamkeit des Exils. Nicht eine seiner Taten hatte er willentlich und bewusst begangen, und doch verhängte er über sich selbst eine Strafe, die durch keinerlei Recht gedeckt war.
Ganz anders seine Tochter Antigone. Trotz Androhung der Todesstrafe lässt sie ihrem im Bruderkrieg gefallenen Bruder Polyneikes ein würdiges Begräbnis zukommen. Der Tyrann Kreon, ihr eigener Onkel, verurteilt sie daraufhin zum Tod. Weder ihre Schwester noch ihr Bräutigam, noch auch der Tyrann selbst vermögen sie zu überreden, durch Vertuschung oder Reue die Urteilsvollstreckung abzuwenden. Und so nimmt sie das selbstgewählte Los an im Bewusstsein, das Rechte getan zu haben.
Wider den NatEUnalismus
Gestern flatterte mir die Mitgliederzeitschrift der FDP, die „elde“, ins Haus. Mit zunehmendem Erstaunen las ich darin einen Artikel des 28 Jahre jungen Alexander Vogel, seines Zeichens Mitglied im Planungsstab des Auswärtigen Amts, der überschrieben war „Auf dem Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa“. Aber blicken wir zunächst einmal ein paar Jährchen zurück
Vor 180 Jahren trafen sich beim Hambacher Schloss etwa 30.000 Menschen, um ihrem Verlangen nach Freiheit, Demokratie und deutscher Einheit Ausdruck zu verleihen. Der Wunsch nach Freiheit und Demokratie wurde erst 90 Jahre später mit der Gründung der ersten deutschen Republik vorübergehend erfüllt. Der Wunsch nach Einheit aber kam schon viel früher. Geschickte Machtpolitiker wie Otto von Bismarck erkannten das Potential, das in dieser Graswurzelbewegung steckt. Diejenigen, die sich über diese unerwartete Schützenhilfe für ihr Anliegen freuten, sammelten sich unter der Fahne der Nationalliberalen Partei und unterstützten Bismarck. Ihr Verlangen nach deutscher Einheit und in der Folge nach einem starken Deutschland war so groß, dass sie im Laufe der Zeit immer mehr ihrer liberalen Prinzipien aufgaben. Sie hatten sich um den Preis der Macht ausverkaufen lassen.